Wohin steuert der Wohnungsmarkt?

Entwicklungen und Anforderungen von Univ.-Ass. Dr. Justin Kadi

Wohnungsmarkt

Zwei Trends kennzeichnen aktuell die Wohnungsnachfrage. Erstens sind am Arbeitsmarkt prekäre Beschäftigung, Teilzeitarbeit und Arbeitslosigkeit im Nachgang der Finanzkrise nach wie vor verbreitet. Die Reallöhne in den unteren Einkommensgruppen waren in den letzten Jahren rückläufig, insbesondere seit Krisenbeginn im Jahr 2008. Das Nettomedianeinkommen für unselbstständig Beschäftigte ist zwischen 2008 und 2016 um 15,6% gestiegen. Das steht einer Inflationssteigerung von 14,4% gegenüber. Für das untere Einkommensquartil betrug die Steigerung im gleichen Zeitraum sogar nur 5,9%, also deutlich unter der Inflation.

Zweitens wächst die Haushaltszahl, allerdings regional sehr differenziert. Starker Zuwachs ist vor allem in den Ballungsräumen zu beobachten. Speziell Wien, das Wiener Umland und die Landeshauptstädte gewinnen an Bevölkerung. Dem gegenüber verlieren ländliche, strukturschwache Regionen tendenziell an Einwohnern. Ursachen dafür liegen sowohl in der natürlichen Bevölkerungsentwicklung als auch in Wanderungsbewegungen. Einkommens- und Haushaltsentwicklung bedingen einen steigenden Bedarf an preiswertem Wohnraum insbesondere in den strukturstarken Ballungsräumen.

Trend zum freifinanzierten Neubau und Hürden für Gemeinnützige

Auf der Angebotsseite wächst die Zahl der bewilligten Wohnungen seit 2012 wieder verstärkt. Gleichzeitig hat sich das Verhältnis von freifinanziertem zu gefördertem Wohnbau zuletzt umgekehrt. Das ist das Ergebnis eines längerfristigen Trends. Im Jahr 1992 war der Förderdurchsatz noch bei 78%. Vor allem seit Mitte der 2000er Jahre wächst der freifinanzierte Bereich, seit 2009 besonders dynamisch. 2016 lag der Förderdurchsatz nur mehr bei 58%. Vor dem Hintergrund des steigenden Bedarfs an preiswertem Wohnraum ist das insofern problematisch, als geförderter Wohnbau in Bezug auf Mietpreise deutlich preiswerter als freifinanzierter ist.

Der Rückgang im geförderten Wohnbau lässt sich, zumindest teilweise, in Hürden für gemeinnützige Bauträger verorten. Hohe Grundstückspreise in Ballungsräumen, Baukostenentwicklung und umfangreiche Bauvorschriften erschweren die Schaffung günstiger Wohnungen. In Wien liegt der Grundstückspreis in guter Lage aktuell bei rund 1.200 Euro/m2. Auch in schlechten Lagen zahlt man mittlerweile bis zu 600 Euro/m2. Gleichzeitig liegt das maximale Förderlimit für den geförderten Wohnbau bei 300 Euro/m2.

In Kombination mit den vor allem seit 2017 stark steigenden Baukosten (+3,4% gegenüber dem Vorjahr im Kontext hoher Baukonjunktur) und kostentreibenden Bauauflagen, etwa im Bereich Energieeffizienz und Bautechnik, ist die Errichtung von geförderten Wohnungen innerhalb der Vorgaben der Wohnbauförderung kaum mehr möglich. Die Preisentwicklungen sind im Zusammenspiel mit der hohen Nachfrage nach Wohnraum in den letzten Jahren auch außerhalb Wiens besonders dynamisch, vor allem in Ballungsräumen im Westen Österreichs. In Salzburg stieg der durchschnittliche Preis für den Quadratmeter Bauland zwischen 2009 und 2014 jährlich im Mittel um 11,7%.

Wohnungen als Anlageprodukt

Der Boom im freifinanzierten Neubau wird auch durch die Etablierung von Wohnungen als Finanzprodukt befördert. Freifinanzierte Eigentumswohnungen bieten attraktive Investitionsmöglichkeiten für Anleger im Kontext niedriger Zinsen, vor allem in Städten. Investitionen in dieses Neubausegment sind oftmals mit hohen Renditeerwartungen und entsprechend hohen Wohnungspreisen verbunden. Die kritische Wohnungsforschung diskutiert diese Entwicklung unter dem Begriff der Finanzialisierung von Wohnraum. Damit wird die zunehmende Verflechtung von Wohnungs- und Finanzmärkten bezeichnet und der Trend, dass Wohnungen zunehmend zu einem alternativen Anlageprodukt (neben Wertpapieren, Sparbüchern, etc.) werden.

Die Finanzialisierung von Wohnungen ist auch für den Wohnungsbestand relevant. Professionelle Immobilienunternehmen investieren zunehmend in private Mietwohnungen mit der Aussicht auf hohe Erträge. Für Mieter bringt das die Gefahr steigender Miete und Verdrängung aus ihren Wohnungen. Ein Beispiel ist der Wiener Zinshausmarkt. Seit 2009 belief sich das Transaktionsvolumen in diesem Sektor auf 8,8 Mrd. Euro. Wurden 2008 noch 680 Mio. Euro umgesetzt, waren es 2016 bereits 1,1 Mrd. Euro. Mit den Investitionen findet auch eine schleichende Verschiebung in der Eigentümerstruktur statt.

Während auf Verkäuferseite Privatpersonen dominieren, sind es auf Käuferseite Unternehmen. Die Strategien von Investoren für höhere Erträge sind unterschiedlich und umfassen Neuvertragsabschlüsse, Parifizierung und Wohnungsabverkauf, Abriss und Neubau oder Zweckentfremdung von Wohnraum (z.B. Airbnb). Für Mieter ist das insofern kritisch, als dass das bereits knappe preiswerte Wohnungsangebot weiter verkleinert wird.

Steigende Belastung für private Mieter in Ballungsräumen

Das fehlende Angebot im preiswerten Neubau und die Investitionsdynamik im privaten Mietwohnungsbestand treiben die Mieten. Über alle Sektoren ist der durchschnittliche Hauptmietzins (inkl. Umsatzsteuer) zwischen 2008 und 2016 um 32,4% gestiegen. Hauptverantwortlich dafür ist der private Mietwohnungsmarkt. In diesem Sektor sind die Mieten um 41.6% gestiegen. Die Mietsteigerungen liegen damit deutlich über der Einkommensentwicklung, vor allem für untere Einkommensgruppen (siehe oben). Gemeinsam mit den Mieten sind auch die Befristungen rasant angestiegen – im privaten Mietwohnungssektor zwischen 2006 und 2016 von 22% auf 42%.

Für Mieter ist das aus doppelter Sicht problematisch. Befristete Verträge bringen nicht nur Unsicherheit, wenn Verträge regelmäßig auslaufen, sondern werden von Vermietern auch dafür verwendet, regelmäßig die Miete zu erhöhen (etwa durch die Anpassung an den Lagezuschlag). Der aktuelle Mangel an preiswertem Wohnraum in Ballungsräumen zeigt sich in der Wohnkostenbelastung. Insbesondere einkommensschwache Haushalte und private Mieter müssen mittlerweile einen überdurchschnittlich hohen Anteil des Haushaltseinkommens für Wohnen aufwenden.

Das aktuelle Regierungsprogramm

Die neue Bundesregierung hat im Regierungsprogramm die Pläne für den Bereich Wohnen dargelegt. Auffallend ist die hohe Übereinstimmung des Programms mit den Forderungen des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft. Einige Forderungen wurden sinnhaft übernommen, andere sogar wortwörtlich. Der Fokus auf Eigentümerinteressen droht die zuletzt steigende Belastung von Mietern noch weiter zu verschärfen. Exemplarisch ist dabei etwa die geplante Förderung der Mietkaufoption zu nennen, durch die das preiswerte, gemeinnützige Wohnungsangebot in den nächsten Jahren spürbar verkleinert werden könnte. Ebenso drohen durch die geplante Liberalisierung des Mietrechts (Aufhebung des Lagezuschlagverbots), bis zu 100.000 Wohnungen in Wiener Gründerzeitvierteln teurer zu werden.

Offen bleibt im Regierungsprogramm, wie der geförderte, sozial langfristig gebundene Neubau wieder angekurbelt werden kann im Kontext des steigenden Bedarfs, oder wie die steigenden Bodenpreise in Ballungsräumen bearbeitet werden können, um den preiswerten gemeinnützigen Wohnbau auch weiterhin zu sichern. Ebenso fehlen konkrete Vorschläge, um die Attraktivität von Wohnungen als Finanzanlageprodukt einzuschränken.

Univ.-Ass. Dr. Justin Kadi

Department für Raumplanung

Technische Universität Wien

Bildnachweis: vwbf und shutterstock.

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