Volldampf für den Klimaschutz

Günther Sidl

Die EU-Kommission hat endlich erkannt, dass die drohende Klimakatastrophe nur durch einen echten Kurswechsel abgewendet werden kann. Der angekündigte Green Deal, mit dem insgesamt 1.000 Milliarden Euro für den Klimaschutz mobilisiert werden sollen ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber es darf nicht bei Überschriften bleiben – was wir brauchen ist eine klare Klimaschutzstrategie für alle Wirtschafts- und Lebensbereiche. Von den großen Treibhausgas-Produzenten in ganz Europa, wie der Industrie oder dem Verkehr bis hin zum Gebäudesektor. 

Die Europäische Union hat sich ambitionierte Ziele für den Klimaschutz gesetzt. Bis 2050 soll die Union klimaneutral werden. Wie richtig dieses Ziel ist, bekommen wir in immer extremeren Wettersituationen zu spüren. Weltweit erleben wir Hitzewellen, Ernteausfälle, Waldsterben sowie das Schmelzen der Gletscher und das Auftauen der Permafrostböden. Aber auch vor unserer eigenen Haustür mehren sich die Wetterkapriolen. Die Auswertungen deuten darauf hin, dass diese heftigen Regenfälle und Sturzfluten Vorboten von insgesamt extremeren Niederschlägen in Mitteleuropa sein könnten.  

Die direkten Auswirkungen der Klimazerstörung treffen uns mit voller Wucht. Die Zeit für einen nachhaltigen Kurswechsel ist knapp – deshalb muss der Klimaschutz trotz der aktuellen Corona-Krise unvermindert weitergehen!

Als Abgeordneter zum Europäischen Parlament setzte ich mich dafür ein, dass wir uns der Mammutaufgabe „klimaneutrale EU“ verantwortungsvoll stellen und den Ernst der Lage richtig einordnen. Deshalb habe ich Ende November 2019 dafür gestimmt, den Klimanotstand für Europa auszurufen. Symbolpolitik alleine wird die großen Probleme aber nicht lösen können. Deshalb ist spätestens jetzt der Zeitpunkt für klimafreundliche Investitionen gekommen. Schließlich kann sich aus der immensen Herausforderung, die der Klimaschutz darstellt, auch eine große Chance für Europa ergeben.

Wenn wir jetzt die Weichen für mehr Nachhaltigkeit in allen Wirtschafts- und Lebensbereichen stellen, kann die EU auf diesem Gebiet zum globalen Vorreiter werden und durch Innovation und Entwicklung Arbeitsplätze sowie Wohlstand für die kommenden Jahrzehnte sichern.

Beim Thema Gebäude und Wohnen ist in unserem Land schon überaus viel passiert, aber europaweit gibt es noch massiven Aufholbedarf. Im Vergleich zum Jahr 1990 hat dieser Sektor eine positive Bilanz und verursacht in Österreich inzwischen über 4,5 Millionen Tonnen weniger Treibhausgase. Hinter diesen statistischen Zahlen stehen unter anderem unzählige thermische Sanierungen, Erneuerungen der Heizsysteme und innovative Baumethoden. 

Im europäischen Vergleich wird sichtbar, wie wichtig dieser Sektor für die Erreichung der Klimaziele ist. Der Gebäudesektor ist mit 36 Prozent einer der größten Verursacher von CO2 und für 40 Prozent des europäischen Energieverbrauchs verantwortlich. Deshalb muss diesem Bereich auch im Rahmen des Green Deal besondere Bedeutung zukommen und die weitere Entwicklung noch stärker gefördert werden.

Gleichzeitig müssen wir uns aber auch Gedanken machen, wie die verbrauchte Energie hergestellt wird. Der Anteil an erneuerbaren Energieträgern ist seit 2010 um über zehn Prozent gestiegen, aber noch immer stammen rund zwei Drittel unserer Energie aus fossilen Quellen oder der Atomkraft. Das zeigt, dass wir auch in diesem Bereich gezielte Investitionen brauchen, um die erneuerbaren Energieträger aber auch das Leitungsnetz auszubauen. 

Deshalb setze ich mich für die Förderung echter Klimaregionen ein. Das bedeutet eine Regionalförderung, die Arbeitsplätze, Kinderbetreuungseinrichtungen sowie Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten vor Ort schafft. So attraktivieren wir ländliche Regionen als Wohn- und Lebensorte – mit kurzen Wegen für die Menschen.

Mir ist wichtig, dass wir uns ambitionierte Ziele setzen, die aber auch realisierbar sind. Es macht keinen Sinn, wenn wir Forderungen und Zahlen in Papiere schreiben, von denen wir bereits heute wissen, dass wir sie nicht so schnell realisieren können. Ein europäisches Vorgehen gegen den Klimawandel ist eine große Chance für unseren Kontinent. Wenn wir diese intelligent nutzen, dann schaffen wir einen nachhaltigen Ausbau unserer Infrastruktur, sichern Beschäftigung längerfristig ab und investieren in lebenswertes sowie leistbares Wohnen. All das steigert die Lebensqualität in Europa. Mir ist bewusst, dass die Wohnbauträger in Österreich im Bereich Klimaschutz in den letzten Jahrzehnten überaus viel getan haben. Es geht bei uns vor allem darum, die Errichtung und die Betriebskosten weiterhin leistbar und attraktiv zu machen – und damit Wohnen nicht zu verteuern. 

Gerade vor diesem Hintergrund sind die gemeinnützigen Bauvereinigungen  unschätzbar wichtige Partner und best practice Beispiele in Europa, wie man mit Innovationskraft entscheidend zum Erreichen unserer gemeinsamen Klimaziele beitragen kann. 

Dr. Günther Sidl ist Mitglied des Europäischen Parlaments und in den Ausschüssen für Umwelt, Gesundheit & Lebensmittelsicherheit sowie Industrie, Forschung und Energie tätig.

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