Martin Orner, Obmann der Gemeinnützigen Ein- und Mehrfamilienhäuser Baugenossenschaft
Ein bemerkenswertes Projekt haben der Deutsche Mieterbund und die Deutsche Umwelthilfe gestartet. Unter dem Titel „MietKlimaSchutz“ arbeiten die beiden Organisationen zusammen, um Wege zu einer sozialverträglichen Gebäudesanierung zu finden.
Die Motive für eine solche Zusammenarbeit liegen auf der Hand: Klimaschutzmaßnahmen, die keine Rücksicht darauf nehmen, wer die Kosten dafür tragen soll und ob sich die Betroffenen diese auch leisten können, werden schon mangels politischer Akzeptanz scheitern. Mieterschutzorganisationen haben Interesse daran, dass die Kosten des Klimaschutzes nicht einfach auf Mieter*innen umgelegt werden. Anders als in Österreich, wo für eine Mieterhöhung aufgrund von (ökologischen) Sanierungsmaßnahmen ein Gerichtsverfahren notwendig ist (§§ 18 ff MRG bzw § 14 Abs 2 – 4 WGG) ist es ja in Deutschland möglich, die Kosten von Sanierungsmaßnahmen einseitig durch bloße Erklärung in Form der sog. „Modernisierungsumlage“ auf die Mieter*innen zu überwälzen (§§ 559 ff BGB).
Am 30.9.2020 fand ein virtuelles Fachgespräch mit dem Titel „Wohngemeinnützigkeit – eine Option für bezahlbares Wohnen und den Klimaschutz?“ im Rahmen dieses Projekts statt. Ich war eingeladen, zu diesem Thema einen von zwei Impulsreferaten zu halten und dabei besonders auf die Erfahrungen der österreichischen Wohnungsgemeinnützigkeit mit ökologischen Gebäudesanierungen einzugehen. Die deutsche Wohnungspolitik hat ja seit einigen Jahren die österreichische Wohnungsgemeinnützigkeit ganz besonders im Blick, es gibt seitens der Linken und der Grünen Initiativen zur Wiedereinführung dieser Institution (die SPD verhält sich hier unverständlicherweise immer noch zögerlich).
In den Eingangsstatements haben die Vertreterinnen der beiden Organisationen – Frau Barbara Metz von der Umwelthilfe und Frau Melanie Weber-Moritz vom Mieterbund – darauf hingewiesen, dass politische Konzepte bislang nur jeweils eine Seite der Thematik im Blick hätten: entweder soziale Aspekte wie zB den Mietendeckel oder Klimaschutzziele. Energetische Sanierungen führten oft zu Verdrängungsängsten, man müsse zeigen, wie ambitionierte Sanierungsziele ohne Erhöhung der Wohnkosten gelingen können. Da der soziale Wohnbau gescheitert sei, fehlten die positiven Auswirkungen des Wohnungsneubaus.
Ich bin zunächst auf die Fakten hinsichtlich der CO2-Emissionen im österreichischen Wohnungsbestand in den verschiedenen Sektoren eingegangen. Beim gemeinnützigen Bestand liegen die durchschnittlichen CO2-Emissionen durch Heizenergieverbrauch mit 0,7 t deutlich unter denen eines durchschnittlichen Haushalts in Österreich (2,2 t) und auch unterhalb einer durchschnittlichen Geschosswohnung (1,1 t). Die Ursachen sind neben einer hohen thermischen Sanierungsrate auch die geringere durchschnittliche Wohnfläche, ein jüngerer Gebäudebestand und ein hoher Anteil an Fernwärme. Die Gemeinnützigkeit ist außerdem Spitzenreiterin bei der thermisch-energetischen Qualität. Dies ist ua darin begründet, dass diese Maßnahmen von der Wohnbauförderung besonders stark unterstützt wurden und die Gemeinnützigen in hohem Ausmaß Förderungsmittel in Anspruch genommen haben. Dennoch bestehen weitere Herausforderungen, etwa in der Umstellung auf erneuerbare Energien in der Wärmeversorgung.
Die Rahmenbedingungen in der Gemeinnützigkeit unterstützen grundsätzlich Maßnahmen im Klimaschutz, da diese nicht gewinnorientiert arbeiten und so Klimaschutzmaßnahmen nicht gewinnmindernd wirken – was die deutlich höhere Sanierungsrate im Vergleich mit dem privaten Wohnungsbestand erklärt. Zudem gibt es im österreichischen Wohngemeinnützigkeitsgesetz einen gesetzlichen Auftrag zur Sanierung. Die Maßnahmen gelten als „fiktive Erhaltungsarbeiten“ und sind grundsätzlich auf die Mieter überwälzbar.
Dies stößt jedoch aufgrund der tendenziell einkommensschwächeren Bewohner*innen schnell an soziale Grenzen. Gegenteilig wirkten sich zudem die niedrigen Einnahmen für Erhaltung und Verbesserung der Gebäude aus. Abschließend wies ich darauf hin, dass
die Kosten bisher von den Bewohner*innen und durch die Wohnbauförderung getragen wurden, zukünftig jedoch ein massives staatliches Investitionsprogramm notwendig sein wird, gekoppelt mit der Vorgabe von Sanierungszielen und im privaten Sektor mit wirksamen Mietzinsbegrenzungen, um die Überwälzbarkeit einzugrenzen.
Lars Grothe vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen wies in seinem Impulsreferat darauf hin, dass auch die Bewohner*innen bei Klimaschutzmaßnahmen mitgenommen werden müssen. Die größte Herausforderung stellt es im Bestand dar, übermäßige Mietsteigerungen durch energetische Modernisierung zu vermeiden und die soziale Durchmischung zu wahren, den Wohnkomfort zu erhalten und warme Betriebskosten stabil zu halten. Sowohl die Gemeinwohlorientierung als auch die Gemeinnützigkeit können Lösungsansätze darstellen.
Armin Kuhn, Referent in der Bundestagsfraktion der Linken, vertrat die Ansicht, die sozialen und energetischen Ziele im Gebäudesektor seien nur durch eine Kehrtwende in der Wohnungspolitik hin zur Förderung eines nicht-profitorientierten Wohnungssektors zu erreichen. Die Wohngemeinnützigkeit könne durch das Kostendeckungsprinzip, die Renditebegrenzung, die Zugänglichkeit primär für Gering- und Durchschnittsverdienende sowie durch dauerhafte Sozialbindungen einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und zur Bezahlbarkeit des Wohnens leisten.
Die zuständige Referentin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen betonte, dass soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz zusammengedacht werden müssten. Österreich könne hier mit der Wohngemeinnützigkeit als Vorbild dienen. Es wären aber auch andere Maßnahmen, wie eine Erhöhung der Fördermittel und Änderungen am Mietrecht erforderlich.
Aus österreichischer Sicht war nicht nur die Zusammenarbeit von Klima- und Mieterschutz interessant, sondern auch das Konzept der „Warmmietenneutralität“ – also letztlich der Kostenneutralität aus der Perspektive der Nutzer*innen. Da in Österreich die (Heiz-)Energiekosten üblicherweise nicht von der Vermieterseite verrechnet werden, besteht hier kein entsprechendes Kostenbewusstsein.Für Österreich ist zu hoffen, dass sich ähnliche Initiativen bilden und auch Unterstützung aus der Gemeinnützigkeit erhalte